Kann Wohneigentum den Wohnungsmarkt entlasten?

In einer Studie des Pestel Instituts wird untersucht, wie die Eigentumsquote in Deutschland verbessert werden kann. Lesen Sie hier.

von Almut Guthmann Veröffentlicht am:

Historie der Wohneigentumsförderung

Nur mehr Wohnungsbau kann den Wohnungsmarkt in Berlin entlasten. Darüber sind sich im Prinzip alle einig. Die Idee, Eigentumsbildung durch staatliche Förderung zu begünstigen, ist alt. Bereits in den Jahren zwischen 1950 bis 1969 wurden 40% der Sozialwohnungen als Eigentumsförderung gebaut. In Zahlen entsprach das rund 2,26 Millionen bewilligten Eigentumsmaßnahmen oder 22% des gesamten Wohnungsbaus dieser Zeit. Auch steuerliche Förderungen zur Wohneigentumsbildung (§7b EStG / 10e EStG) und bis 2005 die Eigenheimzulage waren Maßnahmen zur Eigentumsförderung. In den meisten Bundesländern ging die Eigentumsquote jedoch bis 1968 eher wieder zurück, was zunächst auf den starken Zuzug von Mieterhaushalten zurückzuführen ist durch die starke Zuwanderung in diesen Jahren. Nach 1968 stieg sie nur sehr langsam wieder an, deutschlandweit bis auf 44,9 %, im Schlusslicht Berlin von 8,3 im Jahr 1968 auf nur 15,3 im Jahr 2011. Besonders betroffen ist die Altersgruppe der 25 bis 35 jährigen, in der die Eigentumsquote von 23 auf 15,8 sank zwischen 1998 und 2013. Die Eigentumsquote beschreibt die Anzahl der im Eigentum wohnenden Haushalte im Vergleich zu allen Haushalten. Erst in der Altersgruppe der 35 bis 45 jährigen steigt die Quote ganz leicht auf 44,7 bundesweit. Insgesamt stagniert sie aber und man kann davon ausgehen, dass sich dies in Folge auch auf die zukünftigen älteren Jahrgänge negativ auswirkt und somit ein weiterer Rückgang zu erwarten ist.
Zahlen aus dem statistischen Bundesamt zeigen einen Wanderungsgewinn der vergangene 4 Jahre von ca. 2,6 Millionen Personen bundesweit. Das steht einer natürlichen Bevölkerungsentwicklung von minus 750.000 Personen gegenüber und bedeutet einen Nettozuwachs insgesamt von ca. 1,85 Millionen Personen. Ende 2015 lebten noch ca. 580.000 Zuwanderer in Zwischenunterkünften, d.h. ca. 2 Millionen Personen lebten bereits in Wohnungen. Mit Haushaltsgrößen von durchschnittlich 2,5 Personen je Haushalt bedeutet das ca. 0,8 Millionen Wohnungen. Da diese Zuwanderungsgruppe eher Mietwohnungen nachfragt und besonders große Städte und Ballungsräume nachgefragt sind, werden in Städten die Eigentumsquoten auch weiterhin eher stagnieren.

Fehlende gesellschaftliche Anerkennung

Insgesamt hat laut der Studie das Thema Eigentumsbildung und damit auch diese Art der Vermögensbildung und Alterssicherung eine zu geringe gesellschaftliche Wertschätzung, was auch die untersuchten Parteiprogramme zeigt.
Im Europäischen Vergleich ist Deutschland bei der Eigentumsquote weit abgeschlagen auf Platz 22 von 24 genannten Ländern. Italien z.B. liegt bei 72%, Frankreich bei 57,5%, Polen bei 70,4 %, Spanien bei 78,9% und Portugal bei 72,3%. Auch die Eigentumsförderung ist in vielen Europäischen Ländern fest im Haushalt verankert.
Eine OECD Untersuchung hat jüngst in verschiedenen Ländern eingesetzte Förderinstrumente zur Erhöhung der Wohneigentumsquote zusammengetragen. Die Begründung für eine hohe Eigentümerquote resultiert aus Erfahrungen und Untersuchungen, die bei im Wohneigentum lebenden Haushalten ein höheres gesellschaftliches Engagement, höhere Lernerfolge und Bildungsabschlüsse der Kinder, höhere Sparquoten und damit geringere Gefährdung durch Altersarmut und vieles andere mehr ausweisen. Insgesamt gelten Eigentümerhaushalte als Stabilitätsfaktoren in Wohnquartieren. Deutschland wendet aber derzeit nur 0,17 Promille des Inlandsproduktes für Eigentumsförderung auf.

Wohnungsbau als Wirtschaftsmotor

Wohnungsneubau ist immer auch als Konjunkturprogramm zu verstehen, ca. 20% der Investitionen fließen in Form von Steuern an den Staat zurück (inkl. Grunderwerbsteuer), weitere ca. 26% gehen als Sozialabgaben aus den am Bau Beschäftigten an den Staat zurück. Bei Eigentumswohnungen verbleiben die Steuereinnahmen direkt beim Staat, da bei selbst genutzten Immobilien steuerliche Abschreibungen keine Rolle spielen.

Erschwerende Faktoren für die Eigentumsbildung

  1. Grundstücksmangel und Rückgang der Baulandverkäufe seit 1993, begrenzte verfügbare Flächen in Ballungsräumen, die die Neubautätigkeit limitieren.
  2. Flexibilisierung des Arbeitsmarktes: Durch die Arbeitsmarkt-Reform ist zwar eine Rekordzahl an Beschäftigten zu zählen (Stand Sept. 2016: 43,7 Mio.), ca. 1 Mio. Personen sind jedoch als Leiharbeitskräfte und ca. 4,9 Mio. Erwerbstätige ausschließlich in Minijobs beschäftigt. Junge Familien bleiben zunehmend in den Städten. Infrastruktur, gestiegene Mobilitätskosten, befristete Arbeitsverträge und die geforderte grenzenlose örtliche Mobilität spricht ebenfalls eher gegen den Erwerb von Wohneigentum und eine langfristige finanzielle Bindung an einen Kredit.
  3. Die in Ballungsräumen erreichten Preise werden zunehmend als nicht werthaltig angesehen, auf dem Land sowieso nicht.
  4. Grunderwerbsteuerhöhe in einigen Bundesländern: bei einer Verweildauer von angenommenen 5 Jahren und einem angenommenen Kaufpreis von EUR 200.000 errechnet sich eine monatliche Belastung z.B. in Bayern von 117 €, in Berlin sind es pro Monat zusätzlich 200 €. Dies steht im Widerspruch zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und zur Mobilität der Bevölkerung.
  5. Umsetzung der seit März 2016 geltenden EU Immobilienkreditvergaberichtlinie, nach der junge Familien und ältere Privatkunden noch einmal wesentlich schlechter gestellt werden, indem das Gehalt von jungen Frauen im gebärfähigen Alter z.B. nicht gezählt wird. Um einer Immobilienblase entgegen zu wirken, plant das Finanzministerium eine weitere Verschärfung der Kreditvergabe. Und zwar wird darüber nachgedacht, eine Mindesteigenkapitalquote, eine feste Tilgungszeit und Mindesttilgung vorzugeben. Es wäre wünschenswert, Bauwilligen mehr Eigenverantwortung zuzutrauen, und nicht über eine noch strengere Einkommensprüfung nachzudenken.
  6. Hohe steuerliche Belastung des Wohneigentum: Die Wohneigentumsbildung hatte in der Bundesrepublik Deutschland bis vor gut 10 Jahren einen hohen Stellenwert. Die Wohneigentumsförderung über die §§ 7b und 10e EStG sowie die Eigenheimzulage war über Jahrzehnte fester Bestandteil der Wohnungspolitik. Inzwischen haben sich die Verhältnisse umgekehrt und die Wohn-Eigentumsbildung generiert Steuereinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden, insgesamt im Jahr 2015 in Höhe von € 7,7 Milliarden in Form von Mehrwertsteuer (5,17 Mio.), Grunderwerbsteuer (524 Mio.), Einkommensteuer (1,87 Mio.), Solidaritätszuschlag (103 Mio.).

Erbschaft und Immobilien

Bis 2010 waren in ca. 36% der Erbschaften Immobilien vorhanden, in den nächsten Jahren bis 2024 wird erwartet, dass in ca. 46% der Erbschaften Immobilien vorhanden sein werden. Zu beachten ist jedoch, dass nur 2% der Erbfälle ca. 1/3 des Gesamterbvolumens ausmacht, also in breitere Schichten wesentlich weniger hineinwirkt. Da ca. 30 % der Erben angeben, geerbte Immobilien eher zu verkaufen, ist mit einem Anstieg gebrauchter Immobilien zu rechnen.

Wege zu mehr Eigentum im Neubau und Bestand

Anfangsmieten im Neubau und Kapitalkosten von Eigennutzern liegen oft sehr eng beieinander. Die Kapitalkosten bleiben aber gegenüber den Mieten bei längeren Laufzeiten stabil und private Investoren für den Sozialwohnungsbau sind zu den derzeitigen Förderkonditionen eher nicht zu gewinnen. Ein Ansatz wäre die Förderung von Eigentumswohnungen mit günstigen Krediten und Eigenkapitalzuschüssen. In unteren Einkommensgruppen ist das fehlende Eigenkapital das Bonitätshindernis gegenüber Banken. Diese Förderung würde genau die Haushalte erreichen, für die auch der geförderte Mietwohnungsbau vorzusehen wäre. Entsprechend der Förderrichtlinien im Mietwohnungsbau könnten die gleichen Angemessenheitsregelungen greifen (max. 50m² /Person, max. 60m² /2 Personen, max.75m² /3 Personen). Eigentum muss nicht zwangsläufig eine Flächenvergrößerung gegenüber dem Mieten bedeuten (2010: 51,5 m²/Person im Eigentum gegenüber 38,7m²/Person bei Mietwohnungen). Gerade die Erhöhung des Wohneigentums in der unteren Einkommenshälfte mit einer Beschränkung der Wohnfläche verknüpft wohnungs- und vermögenspolitische Ziele mit Klimaschutzansätzen. Altersarmut und der Verlust der Wohnung im gewohnten Umfeld sind durch die selbstgenutzte Eigentumswohnung abgefedert.
Um das Rückzahlungsrisiko abzufedern könnte nach Niederländischem Vorbild ein Fonds gebildet werden, der mit einer einmaligen Zahlung von 1% der Darlehenssumme Zahlungsengpässe der Kreditnehmer übernimmt und so das Risiko einer Zwangsversteigerung mindert.
Die Grunderwerbsteuer könnte bei einem Standortwechsel selbstgenutzter Immobilien vermindert erhoben werden und könnte so ein Instrument sein, die Flexibilität des Wohnortes leichter im Eigentum zu gestalten. Günstigere Mobilitätskosten und eine bessere Anbindung von Wohnlagen am Stadtrand könnte die Zentren besser entlasten.

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